Achtsames Essen ist schon seit einiger Zeit in aller Munde. Es soll dabei helfen, bewusster und genussvoller, in Ruhe und ohne Ablenkung von außen zu essen. In einem stressigen Alltag nehmen wir uns für das Essen kaum noch Zeit. Mahlzeiten werden oft nebenher verzehrt und viel zu schnell herunter geschlungen. Dieser ungesunde Ernährungs- und Lebensstil fördert nicht nur Übergewicht, sondern kann noch weitere Erkrankungen nach sich ziehen.

Alleine zur Gewichtsregulierung und Eindämmung dieser Zivilisationskrankheiten, die ein epidemisches Ausmaß in unserer Gesellschaft erreicht haben, lohnt es sich, andere, ganzheitliche und nachhaltige Wege zu einer gesunden Ernährungs- und Lebensweise zu beschreiten.

In unserer Welt mit einer modernen Ernährungs- und Lebensweise ist alles jederzeit im Übermaß verfügbar. Wir beachten nicht, dass der Verzehr vieler Produkte unserer Gesundheit schadet und negative Auswirkungen hat. Psychologisch ausgeklügelte Werbemaßnahmen wecken in uns Bedürfnisse, verleiten uns zum Konsum und machen es uns schwer, Versuchungen zu widerstehen oder wahrzunehmen, was wir wirklich brauchen.

In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du bei deiner Ernährung achtsamer werden kannst und dadurch deinen Lebensstil positiv veränderst.

Durch achtsames Essen werden wir in die Lage versetzt, die Körpersignale wieder wahrzunehmen. So können wir den Unterschied zwischen Hunger und Appetit erkennen, das Gefühl der Sättigung wahrnehmen und rechtzeitig mit dem Essen aufhören. Es geht aber darüber hinaus. Denn wir können auch erkennen, ob das Essen emotionsgesteuert ist und der Belohnung und Beruhigung dient.

Achtsamkeit bedeutet innehalten, mit unseren Gedanken im Hier und Jetzt zu sein, weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft. Im Moment des Essens können wir uns bewusst machen, was, wie viel und wie wir essen und was wir fühlen. Wir erleben bewusst den Moment, ohne ihn jedoch zu bewerten.

Achtsames Essen beginnt daher schon viel früher – nämlich beim Einkaufen. Mit achtsamem Kochen haben wir einen Dreiklang, der uns in eine bewusste Ernährungs- und Lebensweise führt.

  1. Achtsames Einkaufen
  2. Achtsames Kochen
  3. Achtsames Essen

 

Achtsames Einkaufen

 

In einer achtsamen und eigenverantwortlichen Haltung befassen wir uns damit, was, wie und wie viel wir essen, woher unsere Nahrung stammt, wie sie hergestellt wurde, welche Wirkung sie auf uns und welche Konsequenzen sie für Mensch, Tier und Umwelt hat. So können wir uns für oder gegen den Kauf von Produkten entscheiden. So beeinflussen wir positiv unsere Gesundheit und unser Wohlergehen, aber auch das Wohl anderer Menschen, der Tiere und unseres Planeten.

 

Der Einkauf in einer achtsamen Haltung – eine kleine Anleitung

 

Kennst du das? Du gehst in den Supermarkt und möchtest nur ein paar Dinge für das Abendessen einkaufen. Ehe du dich versiehst, ist der Einkaufswagen mit mehr Produkten gefüllt, als du für das Abendessen benötigst. Besonders, wenn du mit halb leerem Magen einkaufen gehst, kannst du Versuchungen in den Regalen mit Süßigkeiten, Gebäck und Knabbereien kaum widerstehen. Der Duft vom Bäckerstand macht es doppelt schwer.

 

Mit Achtsamkeit kannst du unkontrollierten Kaufimpulsen widerstehen.

  • Erstelle dir zunächst eine Einkaufsliste.
  • Plane genügend Zeit für deinen Einkauf ein.
  • Gehe nicht mit leerem oder knurrendem Magen einkaufen.
  • Bevor du den Supermarkt betrittst, konzentriere dich für einen Moment auf deinen Atem. Halte inne und atme einige Male bewusst ein und aus, bis sich ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit einstellt und du im Hier und Jetzt angekommen bist.
  • Betrete den Supermarkt und nimm wahr, was ist.
  • Was siehst du?
    Auslagen, Farben und Beleuchtung des Verkaufsraumes, die angebotenen Waren in den Regalen, Menschen etc.
  • Was riechst du?
    Frisches Brot, Obst, Gemüse, Kräuter, Gewürze, Fleisch, Wurst, Käse…
  • Was hörst du?
    Hintergrundmusik, das Piepen der Kassen, Gesprächsfetzen anderer Kund*innen, das Rascheln von Taschen und Tüten…
  • Was fühlst du?
    Nimm deine Gefühle wahr. Werde dir ihrer bewusst, egal ob es Negative oder Positive sind. Bewerte sie nicht und lasse sie wieder los.
  • Konzentriere dich auf deine Einkaufsliste und das, was du besorgen möchtest. Sei dabei ganz präsent im Hier und Jetzt.
  • Achte bei den Lebensmitteln darauf, ob sie den Anforderungen von Fairness, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Tierwohl gerecht werden.
  • Mit dem Kauf von Fairtrade-Produkten verbesserst du die wirtschaftliche Situation von Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die mit der Herstellung und Weiterverarbeitung von Lebensmitteln befasst sind. Die Menschen werden in die Lage versetzt, ihren Lebensunterhalt unter menschenwürdigen und stabilen Bedingungen zu erwirtschaften.
  • Mit einer überwiegend oder ausschließlich pflanzlichen Ernährungsweise unterstützt du positiv deine Gesundheit. Du wirkst auch den negativen Auswirkungen durch Massentierhaltung und Ausbeutung von Tieren in der Fleisch- und Milchindustrie entgegen. Schon ein vegetarischer oder veganer Tag pro Woche hat positive Effekte für die Umwelt.
  • Beim Anbau von Bio-Produkten wird das Grundwasser weniger stark belastet, weil Bio-Anbauflächen nicht überdüngt werden und weitgehend frei von Pestiziden bleiben. Durch den Kauf von regionalen und saisonalen Produkten trägst du außerdem dazu bei, lange Transportwege zu vermeiden und schädliche Umwelteinflüsse zu reduzieren.
  • Gedanken, die in dir aufkommen, was du neben deinem Einkauf noch zu erledigen hast, nimmst du wahr und lässt sie wieder los.
  • Spürst du den Impuls, Produkte kaufen zu wollen, die nicht auf deiner Einkaufsliste stehen, fokussiere dich auf deinen Atem, atme einige Male bewusst ein und aus. Nimm dabei deine Gefühle wahr. Triff bewusst die Entscheidung, diese Produkte nicht zu kaufen und konzentriere dich weiter auf deine Einkaufsliste.
  • Überprüfe, ob du alles hast, was auf der Einkaufsliste steht, und gehe zur Kasse.
  • Lege die Ware behutsam auf das Kassenband, packe sie ein und bezahle.
  • Verlasse den Supermarkt in einer bewussten, dankbaren und wertschätzenden Haltung allen gegenüber, die dir diesen Einkauf ermöglicht haben.

Achtsames Kochen

 

Achte darauf, dass deine Mahlzeiten aus frischen Zutaten des gesamten Farbspektrums bestehen und den Anforderungen einer gesunden nährstoff- und vitalstoffreichen Ernährungsweise entsprechen. Frisches Gemüse, Blattgemüse, Kartoffeln, Pilze, Salate, Sprossen, Mandeln, Nüsse und Ölsaaten, Pseudogetreide wie Quinoa, Amaranth und Buchweizen, Hülsenfrüchte, Gewürze, Kräuter und Obst bilden hierbei die Basis. Neben hochwertigen Vollkornprodukten sollten nur Öle, Fette und Proteine von hoher Qualität zum Einsatz kommen.

 

  • Bevor du mit der Zubereitung der Speisen beginnst, halte einen Moment bewusst inne und sei ganz im Hier und Jetzt.
  • Bereite sorgsam alle Lebensmittel vor, indem du sie säuberst, schälst und zurechtschneidest.
  • Nimm wahr, was du siehst, hörst, riechst, schmeckst und fühlst.
  • Gedanken, die dir in den Sinn kommen, nimmst du wahr und lässt sie wieder los, ohne sie zu bewerten.
  • Lass dich auf die Erfahrung ein, dass alles in dem enthalten ist, was du in deinen Händen hältst und zu einer leckeren Speise zubereitest.

 

Im gegenwärtigen Moment zu sein, bietet dir die Gelegenheit, alle Sinne zu berühren, Freude, Dankbarkeit und Wertschätzung zu empfinden.

 

Achtsames Essen

 

Zunächst deckst du den Tisch, achtest auf eine ruhige Umgebung in angenehmer Atmosphäre, in der du Störungen von außen verhinderst. Musik, Fernseher und Computer bleiben ausgeschaltet und das Handy wird beiseite gelegt. Auch wenn du hungrig bist und sofort mit dem Essen beginnen möchtest – halte einen Moment inne und nimm wahr, was ist.

 

  • Konzentriere dich für einen Moment auf deinen Atem. Atme einige Male tief ein und aus. Durch das bewusste Atmen werden Körper und Geist ruhig.
  • Ehre dein Essen. Indem du dir bewusst machst, dass dein Essen den ganzen Kosmos repräsentiert, alles enthält und viele Menschen dafür gearbeitet haben, damit du es zu dir nehmen kannst, entsteht Dankbarkeit in dir.
  • Mit all deinen Sinnen betrachtest du die Farben der Speise, nimmst Geruch, Geschmack und Konsistenz der Speise wahr. Nimm wahr, wenn dein Speichel einschießt oder das Geräusch deines Magens, der erwartungsvoll knurrt. Achte auch auf deine Gedanken und Gefühle. Nimm alles wahr und bewerte nichts.
  • Sei dankbar dafür, dass dein Teller gefüllt ist. In achtsamer Haltung lernst du, mit Mitgefühl für andere Menschen zu essen, die Hunger leiden.
  • Maßvolle Portionen sind ein wesentlicher Bestandteil des achtsamen Essens. So vermeidest du, zu viel zu essen, aber auch Abfälle, wodurch die Umwelt geschont wird.
  • Durch bewusstes und intensives Kauen kleiner Mengen kannst du dich entschleunigen und den Geschmack wirklich genießen. Halte nach dem ersten Bissen inne und richte deine Aufmerksamkeit auf die Speise in deinem Mund. Kaue gründlich und ausgiebig, je nach Art der Speise bis zu ca. 30 Mal. Schlucke dann hinunter und verweile noch einen Moment im Nachspüren, bevor du den nächsten Bissen zu dir nimmst. Durch intensives Kauen unterstützt und verbesserst du den Verdauungsprozess, der bereits mit der Zerkleinerung der Speisen im Mund beginnt.
  • Je langsamer du isst, desto leichter nimmst du wahr, wann du gesättigt bist. Der Grat zwischen ausreichend und zu viel gegessen zu haben, ist schmal. Es wird empfohlen, so viel zu essen, bis man leicht gesättigt ist. Iss also so lange, bis dein Hunger gestillt ist, und höre auf, wenn es nur noch Appetit ist.

 

Beim Essen in vollem Bewusstsein bist du in einer intensiven Wahrnehmung deiner Selbst und förderst Gesundheit, Wohlbefinden und Körpergewicht positiv und nachhaltig.

 

Achtsamkeit – warum isst du wirklich?

 

In achtsamer Haltung kannst du auch wahrnehmen, ob du emotionsgesteuert isst und dich mit Essen beruhigst oder belohnst. Nach einem mitunter stressigen Tag gibt es für viele Menschen nichts Schöneres, als sich mit unterschiedlichen Ritualen und Vorlieben zu belohnen oder zu beruhigen. Schokolade, Kuchen, Chips, ein Nachschlag oder zum Abschluss einer Mahlzeit noch ein leckeres Dessert, obwohl der Magen längst gefüllt ist. Aber auch Alkohol und Nikotin dienen dazu.

Deinen Emotionen achtsam begegnen

Tief in deinem Unterbewusstsein sind unterschiedliche Arten von Emotionen gespeichert, positive wie negative. Thich Nhat Hanh bezeichnet sie als kleine Samen. So gibt es beispielsweise Samen positiver Gefühle wie Freude und Glück, negativer Gefühle wie Ärger, Wut, Groll, Traurigkeit oder Angst, die dort schlummern. Deine Umgebung, wie auch deine Gedanken, Worte und Handlungen sind das Wasser, mit denen du sie zum Wachsen bringst.

Beschäftigst du dich nicht mit diesen Emotionen, tragen wiederkehrende unangenehme und belastende Situationen dazu bei, dass diese Samen wachsen und sich in deinem Leben zeigen – auch in Form von destruktivem Essverhalten. Darüber hinaus wird jede Form der Veränderung deiner Ernährungsweise, die Umsetzung einer Diät oder eines neuen Ernährungstrends mit festen Regeln über kurz oder lang immer wieder scheitern.

Beschäftigst du dich mit deinen Emotionen, die dich bislang von gesunder Ernährungsweise, maßvollem Essen oder einem gesunden Gewicht abgehalten haben, wirst du Schritt für Schritt lernen, sie wahrzunehmen und zu verändern. Wichtig ist, sie urteilsfrei zu betrachten. Du kannst erkennen, um welche Emotionen es sich handelt und wo sie ihren Ursprung haben. Wenn du sie urteilsfrei annimmst, bekommen sie eine neue Qualität. Sie verlieren ihre destruktive Kraft und entwickeln sich in eine heilsame Richtung. So wirst du im Laufe der Zeit deine Ernährungsweise und dein Essverhalten verhalten. Es wird sich aber darüber hinaus auch auf deine Lebensweise auswirken, denn diese ist nicht davon zu trennen. So entwickelst du Schritt für Schritt Essverhalten, Ernährungs- und Lebensweise, die dir ganz entsprechen..

Die Beschäftigung mit den Emotionen ist oft eine große Herausforderung – besonders am Anfang. Manchmal bedarf es auch der Begleitung von außen.

„Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit.

Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.“

Thich Nhat Hanh

 

Du wirst in deinem Alltag vielleicht nicht immer achtsam essen, trinken oder handeln. Aber nur eine Mahlzeit, eine Tasse Tee oder ein kurzer achtsamer Moment am Tag machen dich achtsamer, mitfühlender und verständnisvoller. So verbindest du dich mit dir selbst, den Menschen, Tieren, unserem Planeten und Kosmos.

 

Empfehlenswerte Literatur zu achtsamer Ernährungs- und Lebensweise

Thich Nhat Hanh und Dr. Lilian Cheung
achtsam essen – achtsam leben
Der buddhistische Weg zum gesunden Gewicht

 

Bildquelle: pablo-merchan-montes-Orz90t6o0e4-unsplash.jpg